Pressemitteilung 01/18
vom 28. Februar 2018
UrhWissG tritt in Kraft — kein ganz großer Wurf, aber doch größere Rechtssicherheit
und einige Verbesserungen
Am 1. 3. 2018 tritt das Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG) in Kraft. Es ist übersichtlich, verständlich und schafft weitgehende
Rechtssicherheit. Es macht nun vieles von dem, was durch Entscheidungen des BGH schon als zulässig angesehen werden kann, per Gesetz verbindlich. Von einer umfassenden Reform des Wissenschaftsurheberrechts kann aber nur sehr
eingeschränkt die Rede sein. Einigen Verbesserungen stehen viele ungelöste Probleme gegenüber. Einerseits zu bedauern ist die Befristung dieses Gesetzes auf 5 Jahre (nach 4 Jahren soll evaluiert werden). Andererseits eröffnet
sich dadurch die Chance, in absehbarer Zeit doch noch zu einer umfassenderen Lösung des Umgangs mit Wissen und Information für Bildung und Wissenschaft zu kommen — so wie es 2013 versprochen wurde.
Am 1. 3. 2018 tritt das sogenannte UrhWissG in Kraft, das Gesetz, das den Umgang mit publiziertem Wissen in der Wissenschaft, einschließlich der Ausbildung, neu regelt. Zu diesem Datum werden die meisten der bislang
auf Bildung und Wissenschaft bezogenen Normen (Schranken) des Urheberrechts, wie die §§ 52a, 52b und 53a durch neue Regelungen ersetzt.
Das Gesetz sorgt a) für verbesserte Übersichtlichkeit und Verständlichkeit, b) für klare Zuordnung zu den für Bildung und Wissenschaft zentralen Bereichen (Forschung, Lehre, Bibliotheken etc.), c) für Rechtssicherheit durch
weitgehendes Vermeiden von unbestimmten Rechtsbegriffen bzw. durch eindeutige Festlegung des Umfangs von schrankenbedingten Nutzungshandlungen.
Die Rechtssicherheit geht allerdings nach Einschätzung des Aktionsbündnisses zu Lasten von Zukunftsoffenheit bzw. sogar zu Lasten der aktuellen Bedürfnisse für die Nutzung von publiziertem Wissen in Bildung und Wissenschaft.
Von einer umfassenden Reform des Wissenschaftsurheberrechts, wie sie mit der Einführung einer Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Koalitionsvertrag der letzten Regierung versprochen worden war, kann nur sehr
eingeschränkt die Rede sein. Wirklich neu ist nur eine Regelung für die Nutzung publizierten Wissens für Zwecke des Text und Data Mining. Ob sich diese in der Praxis bewähren wird, muss sich erst noch zeigen.
Das meiste, was jetzt im Gesetz festgeschrieben ist, war in den letzten Jahre durch eine die bisherigen Gesetze liberaler interpretierende Rechtsprechung der oberen Gerichte in Deutschland und der EU (BGH und EuGH) schon für
zulässig erklärt worden.
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Z.B. kann jetzt das auf den Unterricht bezogene Material (in dem erlaubten Umfang) nicht nur für den Unterricht selbst, sondern auch für alle vor- und nachbereitenden und begleitenden Handlungen sowie für das E-Learning
genutzt werden.
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Auch darf von den Lernenden das von der Bibliothek digitalisierte und online bereitgestellte Material ausgedruckt und/oder abgespeichert werden — allerdings auch hier nur in einem genau festgelegten Umfang (10% pro
Sitzung).
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Der Vorrang von Schrankenregelungen gegenüber Lizenzangeboten der Verlage steht jetzt im Prinzip auch im Gesetz — allerdings gilt er bei einigen Nutzungshandlungen nur eingeschränkt und auch nur für Verträge, die nach
dem 1. März 2018 abgeschlossen werden.
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Dass der Umfang der Nutzung von publizierten Werken jetzt mit 15% festgeschrieben ist, ist tatsächlich
ein eher unwesentlicher Fortschritt gegenüber den 12%, die z.B. der BGH schon vorher als erlaubt angesehen hat.
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Die Vergütung von schrankenbedingten Nutzungen erfolgt weiterhin pauschal. Die aus den Hochschulen strikt abgelehnte Individualerhebung und –abrechnung ist damit nun erst einmal vom Tisch.
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Kopien zur Bestandserhaltung und Nutzung sind nunmehr vergütungsfrei. Dies ist für Bibliotheken und ihre Unterhaltsträger besonders erfreulich.
Als besonders wichtig muss die klare Aussage des Gesetzgebers gesehen werden, die Interessen von Bildung und Forschung seien umfassender als die Interessen der Urheber (BT-Drs 18/12329 S. 19).
Damit übernimmt jetzt auch Deutschland die Formulierung des Welturheberrechtsvertrages von 1996 („larger public interest, particularly education, research and access to information“).
Einiges im UrhWissG ist aber eher als Stillstand oder sogar als Rückschritt zu bewerten:
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Weiter gilt die vollkommen obsolete Regelung, dass das von den Bibliotheken digitalisierte Material nur an den Terminals in den Räumen der Bibliotheken eingesehen werden darf, obgleich selbst die EU-Kommission dieses Verbot
des externen Zugriffs als nicht mehr angemessen bezeichnet hat.
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Der Dokumentversand-Service der Bibliotheken für Unternehmen ist nun nicht mehr erlaubt.
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Materialien aus Zeitungen und Pressezeitschriften dürfen nicht mehr in die neuen Schrankenregelungen zugunsten von Bildung und Wissenschaft einbezogen werden.
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Die untaugliche und auch Bildung und Wissenschaft behindernde Bestimmung des § 87 f für den Leistungsschutz für Presseverleger wurde nicht ausgesetzt.
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Eine praxistaugliche Lösung für das eLending durch Bibliotheken ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden, obgleich entscheidungsreife Vorschläge aus Politik und Bibliotheken vorliegen.
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Die in den §§ 95a ff. des Urheberrechtsgesetz (UrhG) festgelegte Priorität von technischen Schutzmaßnahmen gegenüber Schrankenregelungen (auch Wissenschaft betreffend) besteht weiter.
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Eine Revision des Zweitveröffentlichungsrechts (§ 38 Abs.4 UrhG) zugunsten von Werken aus der grundfinanzierten Hochschulforschung wurde nicht vorgenommen.
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Eine Revision der Regelung für verwaiste Werke wurde trotz offensichtlicher Praxisuntauglichkeit nicht vorgenommen.
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Die Frage, ob und wie in Bildung und Wissenschaft die Nutzung — meistens öffentlich finanzierter — Werke vergütet werden soll, wurde nicht gestellt bzw. nicht beantwortet. Die jetzige Lösung fällt, zumindest was
die Lehre angeht, hinter die aktuellen Vorstellungen der EU-Kommission zurück.
Der Bundestag hat die Geltung des Gesetzes auf 5 Jahre beschränkt. Nach 4 Jahren soll eine Evaluierung erfolgen. Dies ist einerseits schwer verständlich. Andererseits eröffnet die Befristung die Chance doch noch zu einer
umfassenderen Lösung des Umgangs mit Wissen und Information für Bildung und Wissenschaft zu kommen.
Das Aktionsbündnis appelliert daher an eine neue Bundesregierung und den neuen Bundestag sich nicht auf den vermeintlichen Lorbeeren des UrhWissG auszuruhen. Es gibt genug Baustellen im Wissenschaftsurheberrecht. Vor allem
sollte die Zeit jetzt genutzt werden, sich intensiv in die Beratung der EU für eine neue Urheberrechtsrichtlinie einzubringen und sich schon auf die 2022/23 anstehende Evaluierung des jetzigen UrhWissG vorzubereiten.
Das Aktionsbündnis wird die treibende Kraft für ein zukunftsweisendes Wissenschaftsurheberrecht bleiben und sich dafür vielgestaltig und zu jeder Gelegenheit einsetzen.
Wer dabei mitarbeiten möchte, möge sich bitte in Verbindung setzen mit dem Generalsekretär des Aktionsbündnisses: Thomas Severiens severiens@urheberrechtsbuendnis.de oder mit einem der drei
Sprecher des Aktionsbündnisses (Rainer Kuhlen rainer.kuhlen@uni-konstanz.de; Oliver Hinte ohinte@uni-koeln.de; Harald Müller mueller@urheberrechtsbuendnis.de).
V.i.S.d.P. Prof. Dr. Rainer Kuhlen (Sprecher)
Die dem Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ zugrunde liegende Göttinger Erklärung wurde seit 2004 von
374 Fachgesellschaften, Verbänden, Institutionen und sechs Einrichtungen aus der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sowie 7300
Einzelpersonen unterzeichnet. Das zentrale Ziel der Göttinger Erklärung gilt weiterhin:
In einer digitalisierten und vernetzten Informationsgesellschaft muss der Zugang zur weltweiten Information für jedermann zu jeder Zeit
von jedem Ort für Zwecke der Bildung und Wissenschaft sichergestellt werden!
Aus urheberrechtlicher Sicht soll dieses Ziel durch eine umfassende Bildungs- und Wissenschaftsklausel erreicht werden.
Das Aktionsbündnis stützt sich in seiner Arbeit auf eine 18-köpfige Lenkungsgruppe. Sprecher des Aktionsbündnisses sind derzeit
Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Oliver Hinte und Dr. Harald Müller.
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Next Relevant Dates |
6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
Programm und Anmeldung
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News |
April 6th 2021
The coaltion of action takes a position on the "draft law to adapt copyright law to the requirements of the digital single market".
Opinion of April 6, 2021 on the Draft Law.
Opinion of Februar 22, 2021 on the Draft Law.
Opinion of November 6, 2020 on the Draft Bill.
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October 7th 2020
Published by de Gruyter:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
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February 28th 2018
UrhWissG comes into force — not a big progress, but greater legal certainty and some improvements
(Press Release)
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November 20th 2017
All presentations given at our anual meeting on November 8, 2017 are available online:
(Presentations).
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June 7th 2017
The copyright reform (UrhWissG) was passed — facilitation, but no reason to cheer
(Press Release)
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June 26th 2017
An appeal to the German Bundestag: The UrhWissG has to be passed without restrictions within this legislative period.
The Coalition for Action calls on the two chairmen of the CDU/CSU and of the SPD, Volker Kauder and Thomas Oppermann,
to release the governmental draft for the German Copyright Act for the vote in the Bundestag, and then
we call the members of the Bundestag to eatablish the law without restrictions.
(Press Release)
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May 22nd 2017
FAZ, you can not win this fight — distorted journalism in terms of copyright by publisher and managing director of FAZ newspaper
The action alliance criticizes the open letter of the editors and managing directors to the German Bundesrat of 12.5.2017 and of the 18.05.2017 to the deputies of the German Bundestag.
Through these letters the "makers" of the newspaper try to exert pressure on the legislature. This behavior can only be described as unusual and extremely dubious.
(Press Release)
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May 10th 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Press Release).
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April 27th 2017
Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Press Release)
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February 14th 2017
We make you aware that on the website
www.publikationsfreiheit.de is being tried, to manipulate
the public and in particular the authors in education and science with incorrect claims in favor of
publishers' interests.
(Press Release).
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January 24th 2017
The way has not yet come to an end — but the direction is right
The Coalition for Action sees in the draft bill for a "Copyright Law Knowledge Society Act —
UrhWissG" from the ministry for justice an important step in the direction of an education and science-friendly copyright law.
(Press Release)
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December 21st 2016
The road to the One General Exception for Education and Research (ABWS) should now be free now & mdash; Go ahead, Minister Maas!
(Press Release).
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December 15th 2016
KMK, VG Wort and HRK must finally create clarity
The joint press release of KMK, VG Wort and HRK from 9 December 2016 is a source of uncertainty and confusion in the universities.
What should actually be done with the electronic semester apprentices from 1 January 2017? Further is currently
deleted or placed texts invisible. There is a need for action!
(Press Release)
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December 12th 2016
And they seem to still be able to move - KMK and VG-Wort. And the university rector conference (HRK) is now on board.
However, the transitional regulation from the beginning of 2017 is still unclear.
Debt to the present obvious disaster around the framework
contract to § 52a UrhG is ultimately the intolerable delay tactics of the policy.
(Press Release).
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November 23rd 2016
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG has been published.
(Press Release)
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November 16th 2016
Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(Letter).
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older news is available from our archive |
Publications |
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All presentations given at our anual meeting von November 8, 2017 are online available:
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Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
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Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG
- Version: 22 November 2016
- Format: A4 duplex
-
Folder on our Current Demands
- Version: August 2015
-
Folder on a Comprehensive Copyright Clause in Support of Education and Science
- Version: August 2015
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Folder on the Right for a Second Publication for Scientific Articles
- Version: July 2015
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Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Compilation for the annual meeting on October 10, 2013
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Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Evaluation of a survey and policy implications, September / October 2011
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Relevant Links |
facebook page of the Coalition
IUWIS
project is developing a social networking for the topic of copyright in
education and research.
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