Pressemitteilung 07/10
vom 15. Juli 2010
Open Access soll auch über das Urheberrecht gefördert werden — Nachlese zur zweiten Anhörung zum 3. Korb
der Urheberrechtsnovellierung
Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft begrüßt es, dass das
Bundesjustizministerium die zweite Anhörung zum 3. Korb der Urheberrechtsnovellierung zu großen Teilen dem Thema
Open Access gewidmet hat. Trotz einiger Bedenken von Seiten der nationalen und internationalen Verlegerverbände sprachen
sich die meisten Redebeiträge für eine Berücksichtigung von Open Access auch im Urheberrecht aus. Ein entsprechendes
Handeln kann jetzt vom Bundesjustizministerium erwartet werden, in erster Linie wohl durch eine Ergänzung des § 38 UrhG
um ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht. Dies hatte ja schon der Bundesrat im Rahmen des Zweiten Korbs vorgeschlagen, allerdings
ohne damit die damalige Bundesregierung überzeugen zu können.
Dass die Urheber ein unabdingbares (also nicht durch Vertragsverträge zu unterlaufendes) Zweitverwertungsrecht erhalten sollen,
findet heute breite Zustimmung. Allerdings besteht für die Details, wie dies als Norm festzuschreiben ist, auch nach dieser
Anhörung durchaus noch kein Konsens. So wurde darauf hingewiesen, dass diese Rückgewinnung der Autorenrechte zunächst
mit Open Access nichts zu tun habe, es sei denn, es bestünden realistische Chancen, dass die Autoren ihre neue Freiheit dazu
nutzen (oder sogar verbindlich dazu veranlasst werden), sich für eine Sekundärpublikation im Sinne von Open Access zu entscheiden.
Das Aktionsbündnis begrüßt es daher, dass das Bundesjustizministerium das Thema einer Anbietungsverpflichtung
(der Autoren an ihre Institutionen) an den Anfang der Debatte setzte. Das Aktionsbündnis stellte mit aller Deutlichkeit
klar, dass es selber und auch niemand aus den Wissenschaftsorganisationen eine Anbietungsverpflichtung für das
Erstpublikationsrecht auch nur in Erwägung ziehe. Das Aktionsbündnis will sich auch nicht der Einschätzung der
Allianzorganisationen entgegen stellen, die aus verschiedenen Gründen auch die Anbietungsverpflichtung bei der Zweitpublikation
nicht für rechtlich möglich bzw. nicht für praktisch machbar halten.
Das Aktionsbündnis hält es aber weiterhin für unbedingt geboten, dass der Öffentlichkeit das Recht zum freien
und möglichst zeitnahen Zugang zumindest zu dem mit öffentlichen Mitteln unterstützt produzierten Wissen über
die Zweitverwertung zugestanden wird. Entsprechend hatte das Aktionsbündnis eine
Zusatzpetition im Januar 2010 an den
Deutschen Bundestag gerichtet (in Ergänzung zu der von Lars Fischer eingebrachten
Petition),
deren Behandlung zwar zugesagt, aber bislang noch nicht erfolgt ist.
Das Aktionsbündnis hält es für dringend geboten, dass, eventuell durch Vergaben von Gutachten, geklärt wird,
a) ob eine Verpflichtung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihrer Institution ihre Werke zur Zweitpublikation anzubieten
gegen die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit verstößt und b) ob es arbeitsrechtliche Möglichkeiten gibt,
diese Anbietungsverpflichtung tatsächlich durchzusetzen. In der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gibt es z.B.
eine solche Regelung. International gibt es genügend Beispiele sowohl für die Verpflichtung (required) als auch für die
Empfehlung (requested). Allerdings ist es eine Sache, ob etwas rechtlich möglich ist, eine andere, ob dies politisch und auch
wissenschaftspolitisch gewollt ist.
Unabhängig von der Klärung der Anbietungsverpflichtung schätzt das Aktionsbündnis den Weg über eine Anpassung
von § 38 UrhG als richtig ein. Für die Bibliotheken erhöhen sich damit die Chancen, dass bei einem gesetzlich garantierten
Zweitverwertungsrecht mehr Wissenschaftler ihre Werke zur Aufnahme in ein entsprechendes Repository anbieten werden.
Das Aktionsbündnis tritt bei der Frage der auf der Anhörung kontrovers diskutierten Embargofrist (also der Zeitspanne zwischen
Erst- und Zweitpublikation) für ein Null-Embargo ein, anerkennt aber angesichts der unterschiedlichen Anforderungen in den einzelnen
Disziplinen, dass weitere Erfahrungen gesammelt werden sollen. Auf jeden Fall sollte zumindest die Textversion sofort öffentlich
gemacht werden, die nach dem Reviewing vom Autor als verbindlich erklärt wurde. Ebenso sollten nicht nur Zeitschriftenpublikationen,
sondern auch Beiträge in Sammelwerken und Konferenzproceedings mit berücksichtigt werden. International wird zudem die Frage der
Einbeziehung von Volltexten (Büchern) in die Open-Access-Zweitverwertung diskutiert.
Das Aktionsbündnis fordert das Bundesjustizministerium auf, die mit Blick auf die internationalen Informationsmärkte weiter
offenen kollisionsrechtlichen Fragen (wie weit kann ein im deutschen Urheberrecht verankertes unabdingbares Zweitverwertungsrecht
international durchgesetzt werden) nicht zum Anlass zu nehmen, ganz von der Anpassung von § 38 UrhG Abstand zu nehmen.
Die Position der deutschen Autoren auch gegenüber internationalen Verlagen würde beträchtlich gestärkt, und eine
entsprechende deutsche urheberrechtliche Regelung würde sicherlich große internationale Beachtung finden und ähnliche
Vorhaben in anderen Ländern begünstigen. Auch auf EU-Ebene werden Umsetzungsformen für das Zweitverwertungsrecht erprobt.
So wird im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU ein Pilotprojekt bei ca. 20% der Vorhaben durchgeführt, bei dem die von
ihnen geförderten Autoren aufgefordert werden, ihre Publikationen nach Open-Access-Ziele öffentlich zugänglich zu machen.
Mit dem OpenAIRE Projekt wird von der EU die praktische Umsetzung dieser Zielsetzung in allen europäischen Ländern gefördert.
Anschließend fordert das Aktionsbündnis das Bundesjustizministerium noch einmal auf, den Belangen von Bildung und Wissenschaft
durch eine weitere und speziell darauf ausgerichtete Anhörung Rechnung zu tragen. Nicht zuletzt durch den
publizierten Vorschlag des Aktionsbündnisses
nach einer umfassenden Wissenschaftsschranke besteht großer öffentlicher Diskussionsbedarf.
Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Sprecher des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft
Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft
(http://www.urheberrechtsbuendnis.de/) wurde 2004 im Zusammenhang mit
der Novellierung der Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland
gegründet. Das Aktionsbündnis setzt sich für ein ausgewogenes
Urheberrecht ein und fordert für alle, die zum Zweck von Bildung und
Wissenschaft im öffentlichen Raum tätig sind, den freien Zugang zur
weltweiten Information zu jeder Zeit von jedem Ort. Grundlage des
Aktionsbündnisses ist die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für
Bildung und Wissenschaft vom 5. Juli 2004. Diese Erklärung wurde
unterzeichnet von sechs Mitgliedern der Allianz der
Wissenschaftsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der
angewandten Forschung e.V., Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher
Forschungszentren e.V., Hochschulrektorenkonferenz,
Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm
Leibniz e.V. und Wissenschaftsrat), von über 365 wissenschaftlichen
Fachgesellschaften, Informationseinrichtungen und Verbänden sowie von
mehr als 7.200 Einzelpersönlichkeiten. Sprecher des Aktionsbündnis sind
Prof. Dr. Kuhlen (Konstanz), Dr. Müller (Heidelberg), Dr. Sepp
(Kassel). Weitere Informationen über Nachfrage an: rainer.kuhlen at
uni-konstanz.de, hmueller at mpil.de und sepp at physik.uni-kassel.de.
Weitere Informationen zum Themenkomplex des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
bietet auch die Plattform IUWIS.
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6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
Programm und Anmeldung
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News  |
6. April 2021

Das Aktionsbündnis nimmt zum „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ Stellung.
Stellungnahme vom 6. April 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 22. Februar 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 6. November 2020 zum Referentenentwurf.
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7. Oktober 2020

Bei de Gruyter erschienen:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
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28. Februar 2018

UrhWissG tritt in Kraft — kein ganz großer Wurf, aber doch größere Rechtssicherheit und einige Verbesserungen
(Pressemitteilung).
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20. November 2017

Alle Vorträge unserer Jahrestagung vom 8. November 2017 sind online verfügbar:
(Vorträge).
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7. Juli 2017

Die Urheberrechtsreform (UrhWissG) ist durch — Erleichterung, aber kein Grund zum Jubeln
(Pressemitteilung).
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26. Juni 2017

Ein Appell an den Bundestag: Das UrhWissG muss in dieser Legislaturperiode ohne Einschränkungen verabschiedet werden.
Das Aktionsbündnis fordert die beiden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und SPD, Volker Kauder und Thomas Oppermann, auf,
den Regierungsentwurf für das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz für die Abstimmung im Bundestag freizugeben, und dann
die Mitglieder des Bundestags, dem Gesetz ohne Einschränkungen zuzustimmen.
(Pressemitteilung).
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22. Mai 2017

FAZ, diesen Kampf kannst Du nicht gewinnen — Verzerrter Journalismus in Sachen Urheberrecht durch Herausgeber und Geschäftsführer der FAZ
Das Aktionsbündnis kritisiert den offenen Brief der Herausgeber und Geschäftsführer an den Bundesrat vom 12.5.2017
und den vom 18.05.2017 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Durch diese Schreiben versuchen die
„Macher“ des Blattes Druck auf die Gesetzgebungsorgane
auszuüben. Dieses Verhalten kann man gelinde gesagt nur als ungewöhnlich und äußerst bedenklich bezeichnen.
(Pressemitteilung).
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10. Mai 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Pressemitteilung)
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27. April 2017

Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Pressemitteilung).
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23. Februar 2017
Petition zur Unterstützung des Referentenentwurfs zur Reform des Urheberrechts
Unterstützen auch Sie diese Petition auf change.org!
(zur Petition)
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14. Februar 2017

Wir machen darauf aufmerksam, dass auf der Website
www.publikationsfreiheit.de versucht wird, die Öffentlichkeit und
insbesondere die Autorinnen und Autoren in Bildung und Wissenschaft mit unzutreffenden Behauptungen zugunsten von
Verlagsinteressen zu manipulieren.
(Pressemitteilung).
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24. Januar 2017
Der Weg ist noch nicht zu Ende — aber die Richtung stimmt
Das Aktionsbündnis sieht im Referentenentwurf des BMJV für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz —
UrhWissG“ einen wichtigen Schritt in Richtung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts.
(Pressemitteilung)
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21. Dezember 2016

Der Weg zu der Einen Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS) sollte nun frei sein — Gehen Sie voran, Herr Maas!
(Pressemitteilung).
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15. Dezember 2016
KMK, VG Wort und HRK müssen endlich Klarheit schaffen
Die gemeinsame Pressemitteilung von KMK, VG Wort und HRK vom 9.12.2016 sorgt in den Hochschulen weithin stark für Verunsicherung
und Verwirrung. Was soll tatsächlich ab dem 1.1.2017 mit den elektronischen Semesterapparaten geschehen? Weiter wird derzeit
gelöscht bzw. Texte auf unsichtbar gestellt. Es besteht Handlungsbedarf!
(Pressemitteilung)
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12. Dezember 2016

Und sie scheinen sich doch noch bewegen zu können – KMK und VG-Wort.
Und die Hochschulrektorenkonferenz ist jetzt an Bord.
Wie die Übergangsregelung ab Anfang 2017 aussehen soll, ist jedoch noch unklar.
Schuld an dem jetzigen offensichtlichen Desaster um den Rahmenvertrag zu § 52a UrhG ist letztlich die unerträgliche
Verzögerungstaktik der Politik.
(Pressemitteilung).
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22. November 2016
Empfehlung zum Umgang mit § 52a UrhG im Kontext des Rahmenvertrags zwischen KMK und VG-Wort veröffentlicht.
(Pressemitteilung)
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16. November 2016

Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(offener Brief).
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Publikationen |
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Vorträge der Jahrestagung vom 8. November 2017 online verfügbar:
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Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
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Folder mit unserem Empfehlungen zum Umgang mit dem Rahmenvertrag zwischen KMK und VG-Wort zu § 52a UrhG
- Version: 22. November 2016
- Format: A4 duplex
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Folder mit den aktuellen Forderungen
- Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
-
Folder zur Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsklausel
- Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
-
Folder zum Zweitöffentlichungsrecht für wissenschaftliche Artikel
- Version: Juli 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
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Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Zusammenstellung zur Jahrestagung am 10. Oktober 2013
-
Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Auswertung einer Befragung und politische Konsequenzen, September/Oktober 2011
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Wichtige Links |
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Das IUWIS
Projekt entwickelt Social-Network mit Informationen zum Urheberrecht
in Bildung und Wissenschaft.
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