Pressemitteilung 03/16
vom 7. November 2016
Keine Panik — der 52a-Rahmenvertrag muss nicht das letzte Wort für Vergütung im Wissenschaftsurheberrecht sein
Die Politik ist gefragt, eine für Bildung und Wissenschaft akzeptable Lösung für die Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche nach
§ 52a UrhG zu finden. Das Aktionsbündnis empfiehlt, Vergütung in Bereichen öffentlich finanzierter Bildung und Wissenschaft generell
zu überdenken bzw. wenn als nötig erachtet, pauschale Abrechnungsverfahren und keine Einzelerfassung vorzusehen.
Das Aktionsbündnis hatte schon am 11.10.2016 den Ländervertretungen
empfohlen, dem zwischen Kultusministerkonferenz (KMK) und VG-Wort ausgehandelten Rahmenvertrag zur Vergütung von Ansprüchen
für Nutzungen nach § 52a UrhG an öffentlichen Hochschulen nicht beizutreten.
In der Zwischenzeit haben viele Landes- bzw. Hochschulrektorenkonferenzen , der
Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), einige Hochschulen und Hochschulasten
beschlossen, den Rahmenvertrag nicht zu akzeptieren. Der öffentliche Protest, z.B. bei
netzpolitik.org, gegen diesen nicht-akzeptablen Vertrag artikuliert sich immer mehr.
Der Widerstand bezieht sich nicht auf die Vergütung und ihre Höhe an sich (0,008 € pro Seite und Unterrichtsteilnehmer bzw.
Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt), sondern in erster Linie auf die vorgesehene hochbürokratische und aufwändige Erhebung und
Vergütung entsprechend jeder einzelnen Nutzung.
Eine Pilotstudie der Universität Osnabrück kam zu dem klaren Ergebnis, dass die Einzelerhebung und –abrechnung für die
Akteure in Bildung und Wissenschaft und für ihre Institutionen nicht zumutbar ist. Negative Auswirkungen vor allem für die
Qualität der Lehre sind zu erwarten, da viele Lehrende angesichs des hohen Meldeaufwandes auf die Bereitstellung
entsprechender Materialien verzichten würden.
Wie sollen die Hochschulen nun verfahren? Zunächst einmal sich nicht einschüchtern lassen!
- Keineswegs ist es erforderlich, die alten digitalen (und schon bezahlten) Semesterapparate zu löschen. Im Sinne der
Interpretation des BGH dienen die nach § 52a UrhG zur Nutzung bereitgestellten Daten nicht nur dem Unterricht an sich,
sondern auch dessen Vor- und Nachbereitung, einschließlich der Vorbereitung auf eine Prüfung.
- Auch sollten die jetzt für das laufende Semester abgeschlossenen Lizenzen bis zum Ende des Wintersemesters noch gültig sein,
also nicht zum 31.12.2016 ablaufen.
- Außerdem lässt sich eine Nichtanwendung von § 52a UrhG nach dem 31.12.2016 rechtlich nicht begründen. Diese Vorschrift
weist der VG Wort lediglich das Recht zu, die gesetzlich vorgeschriebene Vergütung einzuziehen, nicht aber ein Verbotsrecht
hinsichtlich der Anwendung dieser Schrankenregelung. Es kann also keine Rede davon sein, dass ab Januar 2017 § 52a UrhG
faktisch nicht mehr existiert bzw,. für die öffentliche Zugänglichmachung in Bildung und Wissenschaft nicht mehr in Anspruch
genommen werden kann.
- Alternativ kann man sich auch an der Empfehlung der Leibniz Universität Hannover orientieren. Danach sollen erst einmal nur
Materialien in die elektronischen Semesterapparate eingestellt werden, die nicht unter die Regelungen von § 52a UrhG fallen –
nicht zuletzt also Open-Access-Dokumente bzw. die mit einer entsprechenden Creative-Commons-Lizenz versehenen. Diese können dann
auch, da von § 52a UrhG überhaupt nicht erfasst, in voller Länge und nicht nur auszugsweise genutzt werden.
- Den Studierenden jetzt, wie bis vor 12 Jahren, wieder nur Papierkopien oder –vorlagen bereitzustellen (was erlaubt ist),
sollte nicht ernsthaft erwogen werden
Es besteht also kein Zeitdruck. Zweifellos ist aber jetzt die Politik gefragt. Das Vergütungsproblem sollte nicht durch Gerichte,
aber erst recht nicht selbständig durch VG-Wort und KMK gelöst werden.
Das Aktionsbündnis sieht jetzt eine große Chance, dass durch eine große Solidaritätsaktion der zuständigen Institutionen in den
Ländern, eine Fehlentwicklung korrigiert werden könnte. Zweifellos werden KMK und VG-Wort sich jetzt veranlasst sehen, dem
Rahmenvertrag ein neues Gesicht zu geben – mit der Tendenz zur Pauschalabrechnung. Wem nutzt ein Rahmenvertrag, dem niemand
beitritt? Das Aktionsbündnis erklärt sich bereit, bei den anstehenden Neuverhandlungen als Gast/Experte/Interessenverteter von
Bildung und Wissenschaft in Sachen Urheberrecht mitzuwirken.
Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft”
V.i.S.d.P. Prof. Dr. Rainer Kuhlen (Sprecher)
PDF-Version
Die dem Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ zugrunde liegende Göttinger Erklärung wurde seit 2004 von
373 Fachgesellschaften, Verbänden, Institutionen und sechs Einrichtungen aus der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sowie 7300
Einzelpersonen unterzeichnet. Das zentrale Ziel der Göttinger Erklärung gilt weiterhin:
In einer digitalisierten und vernetzten Informationsgesellschaft muss der Zugang zur weltweiten Information für jedermann zu jeder Zeit
von jedem Ort für Zwecke der Bildung und Wissenschaft sichergestellt werden!
Aus urheberrechtlicher Sicht soll dieses Ziel durch eine umfassende Bildungs- und Wissenschaftsklausel erreicht werden.
Das Aktionsbündnis stützt sich in seiner Arbeit auf eine 18-köpfige Lenkungsgruppe.
Sprecher des Aktionsbündnisses sind derzeit Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Oliver Hinte und Dr. Harald Müller.
Weitere Informationen zum Themenkomplex des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
bietet auch die Plattform IUWIS.
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Nächste Termine |
6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
Programm und Anmeldung
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News  |
6. April 2021

Das Aktionsbündnis nimmt zum „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ Stellung.
Stellungnahme vom 6. April 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 22. Februar 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 6. November 2020 zum Referentenentwurf.
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7. Oktober 2020

Bei de Gruyter erschienen:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
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28. Februar 2018

UrhWissG tritt in Kraft — kein ganz großer Wurf, aber doch größere Rechtssicherheit und einige Verbesserungen
(Pressemitteilung).
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20. November 2017

Alle Vorträge unserer Jahrestagung vom 8. November 2017 sind online verfügbar:
(Vorträge).
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7. Juli 2017

Die Urheberrechtsreform (UrhWissG) ist durch — Erleichterung, aber kein Grund zum Jubeln
(Pressemitteilung).
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26. Juni 2017

Ein Appell an den Bundestag: Das UrhWissG muss in dieser Legislaturperiode ohne Einschränkungen verabschiedet werden.
Das Aktionsbündnis fordert die beiden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und SPD, Volker Kauder und Thomas Oppermann, auf,
den Regierungsentwurf für das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz für die Abstimmung im Bundestag freizugeben, und dann
die Mitglieder des Bundestags, dem Gesetz ohne Einschränkungen zuzustimmen.
(Pressemitteilung).
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22. Mai 2017

FAZ, diesen Kampf kannst Du nicht gewinnen — Verzerrter Journalismus in Sachen Urheberrecht durch Herausgeber und Geschäftsführer der FAZ
Das Aktionsbündnis kritisiert den offenen Brief der Herausgeber und Geschäftsführer an den Bundesrat vom 12.5.2017
und den vom 18.05.2017 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Durch diese Schreiben versuchen die
„Macher“ des Blattes Druck auf die Gesetzgebungsorgane
auszuüben. Dieses Verhalten kann man gelinde gesagt nur als ungewöhnlich und äußerst bedenklich bezeichnen.
(Pressemitteilung).
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10. Mai 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Pressemitteilung)
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27. April 2017

Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Pressemitteilung).
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23. Februar 2017
Petition zur Unterstützung des Referentenentwurfs zur Reform des Urheberrechts
Unterstützen auch Sie diese Petition auf change.org!
(zur Petition)
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14. Februar 2017

Wir machen darauf aufmerksam, dass auf der Website
www.publikationsfreiheit.de versucht wird, die Öffentlichkeit und
insbesondere die Autorinnen und Autoren in Bildung und Wissenschaft mit unzutreffenden Behauptungen zugunsten von
Verlagsinteressen zu manipulieren.
(Pressemitteilung).
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24. Januar 2017
Der Weg ist noch nicht zu Ende — aber die Richtung stimmt
Das Aktionsbündnis sieht im Referentenentwurf des BMJV für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz —
UrhWissG“ einen wichtigen Schritt in Richtung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts.
(Pressemitteilung)
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21. Dezember 2016

Der Weg zu der Einen Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS) sollte nun frei sein — Gehen Sie voran, Herr Maas!
(Pressemitteilung).
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15. Dezember 2016
KMK, VG Wort und HRK müssen endlich Klarheit schaffen
Die gemeinsame Pressemitteilung von KMK, VG Wort und HRK vom 9.12.2016 sorgt in den Hochschulen weithin stark für Verunsicherung
und Verwirrung. Was soll tatsächlich ab dem 1.1.2017 mit den elektronischen Semesterapparaten geschehen? Weiter wird derzeit
gelöscht bzw. Texte auf unsichtbar gestellt. Es besteht Handlungsbedarf!
(Pressemitteilung)
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12. Dezember 2016

Und sie scheinen sich doch noch bewegen zu können – KMK und VG-Wort.
Und die Hochschulrektorenkonferenz ist jetzt an Bord.
Wie die Übergangsregelung ab Anfang 2017 aussehen soll, ist jedoch noch unklar.
Schuld an dem jetzigen offensichtlichen Desaster um den Rahmenvertrag zu § 52a UrhG ist letztlich die unerträgliche
Verzögerungstaktik der Politik.
(Pressemitteilung).
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22. November 2016
Empfehlung zum Umgang mit § 52a UrhG im Kontext des Rahmenvertrags zwischen KMK und VG-Wort veröffentlicht.
(Pressemitteilung)
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16. November 2016

Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(offener Brief).
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Publikationen |
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Vorträge der Jahrestagung vom 8. November 2017 online verfügbar:
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Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
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Folder mit unserem Empfehlungen zum Umgang mit dem Rahmenvertrag zwischen KMK und VG-Wort zu § 52a UrhG
- Version: 22. November 2016
- Format: A4 duplex
-
Folder mit den aktuellen Forderungen
- Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
-
Folder zur Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsklausel
- Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
-
Folder zum Zweitöffentlichungsrecht für wissenschaftliche Artikel
- Version: Juli 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
-
Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Zusammenstellung zur Jahrestagung am 10. Oktober 2013
-
Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Auswertung einer Befragung und politische Konsequenzen, September/Oktober 2011
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Wichtige Links |
Facebook-Auftritt des Aktionsbündnisses
Das IUWIS
Projekt entwickelt Social-Network mit Informationen zum Urheberrecht
in Bildung und Wissenschaft.
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