Pressemitteilung 03/11
vom 17. März 2011
Chancen für eine Annäherung an ein Zweitverwertungsrecht im Urheberrecht durch SPD-Gesetzentwurf
Zusammenfassung: Das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” begrüßt den Beschluss der
SPD-Bundestagsfraktion vom 16.3.2011
(vgl. die entsprechende Pressemitteilung), dem Bundestag einen Gesetzentwurf über einen neuen § 38a im Urheberrecht vorzulegen. Es handelt sich dabei
um ein nicht abhandelbares Zweitverwertungsrecht von WissenschaftlerInnen bei Werken, die überwiegend durch öffentliche Förderung im öffentlichen Kontext
entstanden sind. Damit ist die SPD auf der Linie des Bundesrates und der
Allianz der Wissenschaftsorganisationen.
Das Aktionsbündnis hat im Detail
abweichende Vorstellungen für die Festschreibung eines Zweitverwertungsrechts, sieht aber im Entwurf einen konstruktiven Versuch, sogar noch im Vorfeld des
Dritten Korbs ein wichtiges Problem im Urheberrecht zu lösen.
Mit dem Zweitverwertungsrecht ist das Recht der Autoren gemeint, nach einer gewissen Frist (Embargo-Frist genannt) zur kommerziellen Erstpublikation bei einem
Verlag oder sogar zeitgleich zu dieser wieder über ihr Werk verfügen zu können. Die Position der SPD kann wie folgt umrissen werden:
Durch ein Zweitverwertungsrecht sollen WissenschaftlerInnen ihre Werke nicht nur (wie bislang in § 38 UrhG) vervielfältigen und verbreiten, sondern auch
öffentlich zugänglich machen dürfen. Die bislang in § 38 UrhG vorgesehene Embargofrist von 12 Monaten soll i.d.R. auf 6 Monate (bei Sammelwerken auf
12 Monate) verkürzt werden. Ein Nullembargo ist aber auch nicht ausgeschlossen. Eine Erweiterung gegenüber dem damaligen Bundesratsvorschlag liegt darin,
dass die SPD in Einvernehmen mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen die öffentliche Zugänglichmachung „in der Formatierung der
Erstveröffentlichung” für erforderlich hält. Auf das „Original” der Verlage soll aber verpflichtend verwiesen werden. Wie schon damals der Bundesrat
fordert die SPD: „Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.” Gelten soll das neue Recht aber nur für Werke, die überwiegend
durch öffentliche Förderung entstanden sind.
Das Aktionsbündnis erinnert daran, dass bei der Anhörung des BMJ im Juli 2010 die weitaus meisten TeilnehmerInnen aus den verschiedenen Akteursgruppen sich
deutlich für die Verankerung eines solchen Zweitverwertungsrechts der WissenschaftlerInnen ausgesprochen hatten. Der SPD-Entwurf spiegelt also die Positionen
der großen Mehrheit der Fachöffentlichkeit wider.
Die SPD hat das Urhebervertragsrecht zur Positionierung des Zweitverwertungsrechts gewählt. Damit sollten die europarechtlichen Bedenken,
dass neue Schrankenbestimmungen derzeit nicht möglich sind, ausgeräumt sein. Auch verfassungsrechtliche Bedenken können kaum geltend gemacht werden,
da durch diesen Vorschlag die Wissenschaftsfreiheit der AutorInnen keineswegs beeinträchtigt, sondern vielmehr durch Zugewinn an informationeller
Selbstbestimmung verstärkt würde.
Dass die SPD „mit [dem] Zweitverwertungsrecht Open Access ermöglichen” will (so im Titel der heutigen Pressemitteilung), begrüßt das
Aktionsbündnis, auch wenn das Zweitverwertungsrecht der WissenschaftlerInnen mit Open Access zunächst nichts zu tun hat. Aber das Ziel von
Open Access dürfte durch diesen Vorschlag auch ohne eine explizite Anbietungsverpflichtung der WissenschaftlerInnen gegenüber ihrer
Institution befördert werden.
Bei einer Beratung im Bundestag werden sicherlich noch einmal die Konsequenzen und die Reichweite einer deutschen Regelung im internationalen
Publikationsgeschehen bedacht werden, z.B. bei Verträgen mit ausländischen Verlagen oder bei Publikationen mit Autoren aus verschiedenen Staaten.
Das Aktionsbündnis hält zudem eine flexiblere Eingrenzung der rückwärtigen Gültigkeit des Zweitverwertungsrechts für erforderlich. Der
Gesetzgeber hatte ja auch bei den neuen (also elektronischen) Nutzungsarten eine Rückwirkung ab 1.1.1995 möglich gemacht. Die Beschränkung auf
Werke, die zu mindestens 50% durch öffentliche Förderung entstanden sind, erscheint weder praktikabel noch sinnvoll: Der Gesetzgeber sollte
jedem Urheber, gleichgültig wie er bzw. sein Werk finanziert wird, das Zweitverwertungsrecht zugestehen.
Durch ein Zweitveröffentlichungsrecht wäre das Ziel eines wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts noch nicht erreicht: Das Aktionsbündnis
erinnert an den bereits vorliegenden Vorschlag für eine umfassende Wissenschaftsklausel, die unbedingt Gegenstand der Beratungen zum Dritten Korb
werden sollte.
Hier der SPD-Gesetzentwurf:
„§ 38a Zweitverwertungsrecht
An wissenschaftlichen Beiträgen, die im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit
entstanden sind und in Periodika oder Sammelwerken nach § 38 Abs. 2 erscheinen, hat der Urheber auch bei Einräumung eines ausschließlichen
Nutzungsrechts das Recht, den Inhalt längstens nach Ablauf von sechs Monaten bei Periodika und von zwölf Monaten bei Sammelwerken seit
Erstveröffentlichung anderweitig nicht kommerziell öffentlich zugänglich zu machen. Die Zweitveröffentlichung ist in der Formatierung der
Erstveröffentlichung zulässig; die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben. Ein dem Verleger eingeräumtes ausschließliches Nutzungsrecht
bleibt im Übrigen unberührt. Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.”
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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Sprecher des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft”
Hintergrund: Im 2004 gegründeten Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft sind neben den sechs großen Wissenschaftsorganisationen
Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Wissenschaftsrat 370 Fachgesellschaften,
Verbände und Institutionen sowie mehr als 7250 persönliche Unterzeichner der Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft zusammengeschlossen.
Weitere Informationen zum Themenkomplex des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
bietet auch die Plattform IUWIS.
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6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
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6. April 2021

Das Aktionsbündnis nimmt zum „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ Stellung.
Stellungnahme vom 6. April 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 22. Februar 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 6. November 2020 zum Referentenentwurf.
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7. Oktober 2020

Bei de Gruyter erschienen:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
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28. Februar 2018

UrhWissG tritt in Kraft — kein ganz großer Wurf, aber doch größere Rechtssicherheit und einige Verbesserungen
(Pressemitteilung).
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20. November 2017

Alle Vorträge unserer Jahrestagung vom 8. November 2017 sind online verfügbar:
(Vorträge).
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7. Juli 2017

Die Urheberrechtsreform (UrhWissG) ist durch — Erleichterung, aber kein Grund zum Jubeln
(Pressemitteilung).
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26. Juni 2017

Ein Appell an den Bundestag: Das UrhWissG muss in dieser Legislaturperiode ohne Einschränkungen verabschiedet werden.
Das Aktionsbündnis fordert die beiden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und SPD, Volker Kauder und Thomas Oppermann, auf,
den Regierungsentwurf für das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz für die Abstimmung im Bundestag freizugeben, und dann
die Mitglieder des Bundestags, dem Gesetz ohne Einschränkungen zuzustimmen.
(Pressemitteilung).
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22. Mai 2017

FAZ, diesen Kampf kannst Du nicht gewinnen — Verzerrter Journalismus in Sachen Urheberrecht durch Herausgeber und Geschäftsführer der FAZ
Das Aktionsbündnis kritisiert den offenen Brief der Herausgeber und Geschäftsführer an den Bundesrat vom 12.5.2017
und den vom 18.05.2017 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Durch diese Schreiben versuchen die
„Macher“ des Blattes Druck auf die Gesetzgebungsorgane
auszuüben. Dieses Verhalten kann man gelinde gesagt nur als ungewöhnlich und äußerst bedenklich bezeichnen.
(Pressemitteilung).
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10. Mai 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Pressemitteilung)
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27. April 2017

Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Pressemitteilung).
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23. Februar 2017
Petition zur Unterstützung des Referentenentwurfs zur Reform des Urheberrechts
Unterstützen auch Sie diese Petition auf change.org!
(zur Petition)
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14. Februar 2017

Wir machen darauf aufmerksam, dass auf der Website
www.publikationsfreiheit.de versucht wird, die Öffentlichkeit und
insbesondere die Autorinnen und Autoren in Bildung und Wissenschaft mit unzutreffenden Behauptungen zugunsten von
Verlagsinteressen zu manipulieren.
(Pressemitteilung).
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24. Januar 2017
Der Weg ist noch nicht zu Ende — aber die Richtung stimmt
Das Aktionsbündnis sieht im Referentenentwurf des BMJV für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz —
UrhWissG“ einen wichtigen Schritt in Richtung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts.
(Pressemitteilung)
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21. Dezember 2016

Der Weg zu der Einen Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS) sollte nun frei sein — Gehen Sie voran, Herr Maas!
(Pressemitteilung).
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15. Dezember 2016
KMK, VG Wort und HRK müssen endlich Klarheit schaffen
Die gemeinsame Pressemitteilung von KMK, VG Wort und HRK vom 9.12.2016 sorgt in den Hochschulen weithin stark für Verunsicherung
und Verwirrung. Was soll tatsächlich ab dem 1.1.2017 mit den elektronischen Semesterapparaten geschehen? Weiter wird derzeit
gelöscht bzw. Texte auf unsichtbar gestellt. Es besteht Handlungsbedarf!
(Pressemitteilung)
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12. Dezember 2016

Und sie scheinen sich doch noch bewegen zu können – KMK und VG-Wort.
Und die Hochschulrektorenkonferenz ist jetzt an Bord.
Wie die Übergangsregelung ab Anfang 2017 aussehen soll, ist jedoch noch unklar.
Schuld an dem jetzigen offensichtlichen Desaster um den Rahmenvertrag zu § 52a UrhG ist letztlich die unerträgliche
Verzögerungstaktik der Politik.
(Pressemitteilung).
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22. November 2016
Empfehlung zum Umgang mit § 52a UrhG im Kontext des Rahmenvertrags zwischen KMK und VG-Wort veröffentlicht.
(Pressemitteilung)
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16. November 2016

Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(offener Brief).
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Publikationen |
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Vorträge der Jahrestagung vom 8. November 2017 online verfügbar:
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Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
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Folder mit unserem Empfehlungen zum Umgang mit dem Rahmenvertrag zwischen KMK und VG-Wort zu § 52a UrhG
- Version: 22. November 2016
- Format: A4 duplex
-
Folder mit den aktuellen Forderungen
- Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
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Folder zur Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsklausel
- Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
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Folder zum Zweitöffentlichungsrecht für wissenschaftliche Artikel
- Version: Juli 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.
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Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Zusammenstellung zur Jahrestagung am 10. Oktober 2013
-
Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Auswertung einer Befragung und politische Konsequenzen, September/Oktober 2011
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